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Wir fragten Sarah
Simons:
Deine große
Leidenschaft gilt dem Karneval. Wo hat diese Leidenschaft ihren
Ursprung?
"Diese
Leidenschaft kommt daher, weil ich Aachenerin bin und es neben der
Alemannia und dem CHIO auch noch den Karneval liebe. Als Aachenerin
muss man alle drei Elemente dazu nehmen. Im Karneval fühle ich mich
zu Hause und aufgehoben. Auch, weil ich das mit meinen Freunden
teile."
Bist du in Bezug
auf den Karneval familiär vorbelastet?
„Ja und nein!“
Meine Eltern waren nie in einem Verein, also nie aktive
Karnevalisten, aber wir haben Karneval zelebriert. Wir haben schon
im Dezember Kostüme überlegt und geschneidert. Wir haben alles
mitgemacht, Straßenkarneval, Kneipenkarneval, Kinderfeste… Und über
meine Eltern bin ich auch zur Tropi Garde gekommen.
Was ist für Dich
Karneval, wie ist Deine persönliche Definition von Karneval?
„Karneval ist für
mich eine bestimmte Zeit. Das geht nicht das ganze Jahr über!
Karneval heißt, die Sorgen zu vergessen, den kompletten Alltag
abzustreifen und im positiven Sinne abzuschalten. Dazu gehört nicht
"Koma-Saufen" oder sich betäuben, sondern mit Freunden Spaß haben
und in der Gemeinschaft feiern."
Wie wichtig ist
Dir das traditionelle Element im Karneval?
„Wichtig!
Karneval braucht seinen Rahmen. Das kann man nicht im Hochsommer
feiern – auch wenn mir manche Mallorca-Fete wie Fettdonnerstag
vorkommt… Und es reicht auch kein Humbatäterä för echte öcher
fastelovvend. Da braucht es schon etwas mehr. Für mich geht Karneval
natürlich am Besten in der Tropi-Uniform und natürlich auch mit
meinen besten Freunden, der Familie – also der Tropi-Garde! Aber mir
ist auch wichtig, dass man nicht stur an Traditionen festhält, nur
weil es immer schon so gewesen ist. Man muss auch mal Neues
ausprobieren. Zum Beispiel ein Mädchen zum General machen…“
Welchen Stellenwert im Zusammenhang mit Karneval hat unsere
Heimatsprache, unser Oecher Platt?
"Unsere Mundart hat für mich einen hohen Stellenwert. Ich bin in
dieser Hinsicht vorgeprägt. Meine Mutter kommt aus Vaals und ich mag
auch das Volser Platt. Für mich steht aber das Oecher Platt an
erster Stelle, das kommt von Herzen und Karneval wird durch Oecher
Platt erst richtig schön! Vor allem, wenn geflucht wird, was das
Zeug hält
Liege ich richtig
wenn ich sage, dass Deine "organisierte" karnevalistische Heimat die
Tropigarde ist?
"Ja, das ist
definitiv richtig! Ich versuche jetzt erst auch andere
Karnevalsvereine und Karnevalsveranstaltungen "analytisch" zu
betrachten. Ich blicke gern hinter die Kulissen und komme mit den
Leuten ins Gespräch. Meine Ursprünge, meine Wiege, liegt aber im
Ostviertel in der Tropigarde.
Wenn ich an die
Zeit zurückdenke, als mir die Tropigarde zum ersten Mal auffiel,
dachte ich zunächst an das Limonadengetränk "Tropi" und dann, wegen
der Tropenhelme, an Afrika und an Missionare. Was ist eigentlich die
Tropigarde und woher kommt sie?
"Viele Leute
glauben auch Tropi bedeute : "Trotz Pille
geboren" Damit hat es aber nichts zu tun. Damals, als die
Tropis sich gründetes gab es Das Dschungelbuch, einen
Film von Walt Disney. Für sieben Leute aus dem Freundeskreis von
Hubert Crott hatte dieser Film prägende Wirkung. Es waren Leute, die
aus der Pfarrjugend kamen und gerne Karneval feiern wollten. Man war
sich einig, dass man eine gemeinsame Uniform benötigte und wie oft,
kam der Zufall hinzu. Auf dem Lütticher Flohmarkt fand man
Tropenhelme aus Armeebeständen und hatte damit bereits ein Element
einer zukünftigen Uniform. Als Persiflage auf das preußische Militär
wurde die Klobürste als Karikatur der Bewaffnung gewählt. Alle
Elemente der Uniform sollen nicht ernst genommen werden, sondern ein
Karikatur der Wirklichkeit sein.
Karnevalistisch
groß geworden bist Du in der Tropigarde, groß geworden von Gestalt
bist Du auch, aber auch zu Größe hinsichtlich Deiner Funktion in der
Tropigarde hast Du es gebracht. Du bist General/In der Tropigarde!
"Oh ja, dass ist
eine ganz aktuelle Diskussion in der Tropigarde! Heißt es General,
Generalin, Generälin, sagt man Frau General und so weiter!
Diese Diskussion darf man auch nicht so ernst nehmen. Mir ist es
egal, wie man mich nennt. Ohnehin lassen sich unsere Strukturen
nicht mit anderen Vereinen vergleichen. Bei mir laufen zwar die
Fäden zusammen und ich stehe in der ersten Reihe, aber
Entscheidungen treffen wir demokratisch. Ich nenne mich übrigens
selbst immer Generälin.“
Hast Du als
Generälin "Kommandogewalt"?
"Wir entscheiden
alle Dinge demokratisch, was auch gut funktioniert. Wir sind 120
Leute und am Ende muss einer sagen A oder B. Da bin ich dann
gefordert mit unserem Leitungsteam. Ich moderiere die Geschicke der
Tropigarde. Wir sprechen in der Tropigarde sehr viel miteinander. Zu
fragen „Wie geht es Dir, fühlst du dich bei uns noch wohl, egal ob
du 18 oder 88 Jahre alt bist?“, jedem Gehör zu verschaffen, ist nach
meinem Verständnis mein Job!"
Wert legt die
Tropigarde auch darauf, ein "nichteingetragener Verein" zu sein!
"Ja,
wir sind ein lockerer Haufen. Wir haben keine Satzung im üblichen
Sinne. Unsere wichtigste Regel ist, Karneval zu feiern und über sich
selbst zu lachen und sich nicht zu ernst zu nehmen. Wir sind auch
nicht Mitglied im AAK. Dies liegt u.a. daran, dass es dann
zahlreiche Dinge gibt, die man beachten und erfüllen muss, aber es
steckt auch eine Ideologie dahinter. Wir verstehen uns zwar nicht
als „alternativer Karneval“ aber in gewisser Weise als alternative
zu den bierernsten Karnevalsvereinen und da passt es auch nicht,
wenn wir uns in die Reihen des AAK einreihen."
Die Tropigarde
feiert einen speziellen Karneval um nicht zu sagen alternativen
Karneval. Ihr nehmt nicht nur die "Obrigkeit" auf die Schippe,
sondern auch den Karneval selbst. Dennoch hat das traditionelle
Element des Karnevals auch bei euch einen festen Platz.
"Die Tropigarde
bietet beim Herzstück ihrer Veranstaltungen, das sind die vier
Sitzungen pro Session, Theater. Es gibt das Rahmenprogramm, in dem
eine Geschichte erzählt und Theater gespielt wird und in diese
Handlung flechten wir verschiedene "Nummern" ein. Es werden
Gesangnummern, Büttenreden, Comedy, Tanzdarbietungen usw. eingebaut.
Dies ist so nicht traditioneller Karneval. Wir haben kein Mariechen,
es gibt keine Aufmärsche, es gibt keinen Elferrat der auf der Bühne
sitzt und es gibt keinen Sitzungspräsidenten. Insofern fallen wir
aus dem Rahmen. Aber wir rufen Alaaf, es wird geschunkelt, wir
pflegen traditionelles Aachener Liedgut. Es geht darum, lustig zu
sein, darum sind wir auch nicht politisch, wir wollen nicht "bissig"
sein, wir wollen einfach nur Fastelovvend fiere!"
Die Tropigarde
ist auch in Sachen Talentbildung sehr erfolgreich.
"In erster Linie
denkt man dabei sicher an "Josef, Jupp und Jüppchen" und an die
"Vier Amigos". Diese beiden Gruppen sind natürlich zur Zeit unsere
Aushängeschilder. Wir hatten aber auch damals als erste Formation "Puffel
und Strick" oder später das Büttenredner-Duo "De Lörese", ich denke
auch an unsere Sängerinnen „Böstomeritz“, die in Aachen und Umgebung
erfolgreich sind und das macht uns auch sehr stolz."
Ursprünglich war
es ein ungeschriebenes Gesetz, dass diese Gruppen exklusiv bei der
Tropigarde auftreten.
"Ja, das ist auch
immer noch so. Jede Gruppe bringt ein exklusives Programm erstmals
bei der Tropigarde auf die Bühne. Wenn man also eine Tropi-Sitzung
besucht, bekommt man ein exklusives Programm welches man sonst, zu
dieser Zeit nirgendwo in der Stadt sehen kann! Was man in der
aktuellen Session bei anderen Veranstaltungen von den genannten
Gruppen sehen kann, ist eine Nummer aus dem letzten Jahr. Die
Premiere findet immer bei der Tropigarde statt. Dies zählt zu den
unausgesprochenen Regeln der Tropigarde!"
Es war ja nicht
immer so, dass diese Gruppen außer bei der Tropigarde, auch bei
anderen Veranstaltern, wie z. B. dem AKV, auftraten. Ich denke dabei
an "Josef, Jupp und Jüppchen" und die "Vier Amigos", die
"ausgerechnet" beim AKV auftraten. Wenn ich das Wort "Sündenfall"
benutze, liege ich dann falsch?
"Nee, ganz falsch
liegst Du damit nicht. Wenn man sich vor Augen führt, dass die
Tropigarde gegründet worden ist, um u.a. den AKV auf die Schippe zu
nehmen, dann darf sich der Eine oder Andere die Frage stellen: "Geht
das überhaupt noch, wenn jetzt Tropis beim AKV auf der Bühne
stehen?" Ich sehe es aber auch aus der Perspektive, dass man stolz
sein und sich freuen kann, dass ein kleiner, alternativer Verein,
ohne ein großes Budget, ohne Lobby und ohne viel Werbung,
Formationen hervorgebracht hat, die die Leute auf die Stühle treibt.
Ich persönlich sehe das nicht als Sündenfall sondern eher als
Glücksfall und ich lache mir dabei ins Fäustchen! Der AKV baucht uns
nämlich. Und: Man darf auch nicht vergessen, dass es sich bei den
Veranstaltungen um ein Aushängeschild Aachens handelt und die so gut
wie möglich aussehen zu lassen, macht uns - wenn manchmal
vielleicht unfreiwillig – zu Verbündeten.
Wie siehst Du die
Zukunft des Aachener Karnevals als ein eigenständiges Element der
Brauchtumspflege.
"Es ist
Wunschdenken, aber ich wünsche mir, dass es immer mehr Volkskarneval
wird. Ich denke dabei ganz praktisch. Die Leute haben nicht mehr so
viel Geld im Portmonee, sie werden sich in Zukunft ganz gezielt
Veranstaltungen aussuchen und nicht mehr wahllos und beliebig zu
Veranstaltungen gehen können weil sie das Geld dazu nicht mehr
haben. Sie werden sich ihre Lieblingsveranstaltungen herauspicken,
die dann hoffentlich an Qualität zunehmen. Es wird hoffentlich auch
mehr zu den Ursprüngen gehen, zum Kneipenkarneval, wo man auch ohne
viel Geld und ohne viel Gehabe feiern kann. Für den Straßenkarneval
gilt das auch. Das ist mein Wunschdenken.
Viele große Vereine bekommen heute schon Probleme, große Säle zu
füllen und ein großes Programm auf die Beine zu stellen. Vielleicht
schließen sich dann Vereine zusammen oder gehen wieder zurück in
kleine Säle oder machen weniger Veranstaltungen. Dann ist auch nicht
mehr alles so groß und so beliebig, wie es mittlerweile geworden
ist.
Siehst Du eine Gefahr darin, dass man bei der Überlegung nach der
Zukunft des Karnevals und der Problematik die Säle voll zu bekommen,
auf die Idee kommen könnte sich vom traditionellen Karneval zu
entfernen und sich mehr an Party und Event, auch außerhalb der am
christlichen Kalender verankerten Jahreszeit, zu orientieren.
"Wenn man sich
anschaut welche Angebote für junge Menschen in Aachen vorhanden
sind, so stellt man fest, dass dies zu ca. 80 Prozent beliebige
Partys sind, die austauschbar sind, egal in welcher Stadt oder zu
welcher Jahreszeit sie angeboten werden. Zu 20 Prozent gibt es dann
noch kleine Veranstaltungen z. B. im Pfarrkarneval, der geprägt ist
vom Veranstalter oder von dem organisierenden Verein. Ich hoffe, es
wird immer mehr Menschen geben, die nicht mehr in einem großen Zelt
bedudelt werden wollen, sondern zurück zu dem ursprünglichen
Karneval wollen.
Man muss natürlich auch ein Stück weit von der Tradition weg, bei
der Mädchen im Karneval nur in der zweiten Reihe vorkommen. Entweder
dürfen sie Tanzmarie werden oder sie sind schmückendes Beiwerk auf
der Bühne oder kümmern sich um die Kinder oder die Kostüme. Davon
müssen wir weg! Vereine, die sich als reine Männervereine verstehen,
haben, wie ich glaube, keine Zukunft.
Auch muss man jüngere Leute mehr heranlassen. Viele ältere
Herrschaften sitzen auf ihren Posten und sagen "so haben wir das
schon immer gemacht, dass ist super! Ich habe den Verein aufgebaut
und ich habe viel für den Verein gemacht!"
Man muss junge Jungs und Mädchen heranlassen und auch gewähren
lassen! Nur so kann der traditionelle Karneval nach vorne gebracht
werden!"
Was wünschst Du
Dir in Bezug auf den Aachener Karneval?
"Ich wünsche mir,
dass man sich als Karnevalist und Aachener auf Augenhöhe begegnet
und die Leistungen der einzelnen Vereine unabhängig von ihrer Größe
oder ihren materiellen Möglichkeiten bewertet. Schau dir mal die
Börjerwehr an, was für eine tolle und große Truppe oder schau auf
die Bonneplöcker, was kriegen die auf die Reihe, mit wenig Geld. Ich
wünsche mir, dass man nicht unterscheidet zwischen einer glanzvollen
Garde, die es schon sehr lange gibt, und die mit einer tollen
Uniform daher kommt oder dem kleinen Verein, der mit 50 Mitgliedern
eine tolle Veranstaltung macht. Wir sollten sagen, ich bin dabei,
ich bin gerne dabei und zahle auch gerne die 20 Euro um mit euch
mein Bierchen zu trinken. Wir sollten das Lied, "Vüür sönd
allemole Oecher Jonge!" nicht nur singen, sondern es auch leben,
und dass funktioniert auch das ganz Jahr! Wobei "Oecher Jonge" auch
Mädchen sein können!"
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